Vor einigen Jahren gab es einen Sachbuchbestseller von Donata Elschenbroich, der den Nerv interessierter Eltern traf und gegen eine Verschulung der Kindheit Lernlust setzte, die sich an der natürlichen sinnlichen Aufgeschlossenheit von Kindern orientiert. In „Das Weltwissen der Siebenjährigen“ zeigt die Autorin, wie einfach es ist, die natürliche Begeisterungsfähigkeit und den Entdeckerdrang von Kindern fürs Lernen fruchtbar zu machen. Aus Befragungen von Eltern, Erziehern und Kindern selbst entwickelt sie eine Art Kanon dessen, was ein Kind verschiedener Altersstufen erlebt haben sollte. Sei es, einen Schneemann zu bauen, eine Flüsschen zu stauen oder bei einer anderen Familie zu übernachten. Es gehe darum, „im Kind die Kraft zu bestärken, sein eigener Lehrer zu sein“. Und nach diesem lustorientierten Prinzip lässt sich auch die Heranführung an Bücher und Literatur umsetzen.
Ausgehend von der Erfahrung, dass alle Kinder sich liebend gerne vorlesen lassen, wenn es nur jemand tut, sowie der anthropologischen Einschätzung, dass das Narrative eine Grundstruktur menschlicher Bewußtseinsorganisation ist – wie auch neuere Erkenntnisse der Hirnforschung belegen – müsste es eigentlich ein Leichtes sein, alle Kinder in der entscheidenden Phase zu begeistern.
Denn es ist vermutlich auch so, und das kann sicherlich jeder nachvollziehen, der selbst als Kind unter der Bettdecke heimlich gelesen hat, dass es eine zeitlich begrenzte Phase in der kindlichen Entwicklung gibt, in der die Welt der Buchstaben eine besondere Faszination ausübt. Wird dieses Zeitfenster nicht genutzt, dann ist das ein später offenbar kaum wieder gut zu machender Verlust von Entwicklungspotential an emotionaler und intellektueller Reife. Auch wenn der Vergleich ein wenig hinkt und es biologistisch anmuten mag, aber es erinnert ein wenig an die Prägung der Lorenzschen Gänse, die sich ja bekanntlich nur innerhalb einer bestimmten Zeitspanne auf alles als Mutterersatz prägen lassen und seien es die Gummistiefel des Forschers.