Sind Bestseller Bestseller?

Schauen wir uns doch einmal das Bestsellerphänomen an. Nur wenige Titel, oftmals Übersetzungen amerikanischer Erfolge, mendeln sich durch. Glücklich die Verlage, die pro Jahr überhaupt einmal dabei sind, auch die großen Verlage zählen meist nicht mehr als eine Handvoll ihrer Titel auf den Bestsellerlisten. Denn bei aller Zufriedenheit auch über vereinzelte Bestseller, fängt ein solcher heute schon bei vielleicht 30.000 verkauften Exemplaren an, zu besseren Zeiten musste es schon ein sechsstelliger Absatz sein. Gut verkäufliche Titel kommen nicht einmal mehr auf 10.000 Exemplare. Ohne auf die unterschiedlichen Sparten wie Sachbuch, Belletristik, Kinderbuch etc. einzugehen, liegt die Durchschnittsauflage von Büchern aktuell bei vielleicht 4.000 Exemplaren.
Ein Branchenbeobachter hat einmal den Absatz aktueller Bestseller exemplarisch auf die einzelnen Buchhandlungen heruntergerechnet. Für die Umsätze einer durchschnittlichen Buchhandlung mit der damaligen Nr. 1 der Bestsellerliste, Dan Browns »Sakrileg«, war das Ergebnis: knapp fünf Exemplare wurden in einem Monat abgesetzt. Selbst bei einer großen Buchhandelskette mit über 90 Filialen allein in Deutschland kommt er auf knapp 3.500 Exemplare in einem Monat, aufgeteilt auf die einzelnen Filialen sind das gerade mal knapp 39 Bücher pro Niederlassung. Setzen Sie das einmal in Relation zu der Bevölkerungszahl vor Ort. Trotz solcher bescheidenen Relationen werden oft nur diese Bestseller in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Dass im Rahmen einer Mischkalkulation zumindest Verleger des alten Schlages auch ungezählte Bücher mit „durchziehen“, die mit Ach und Krach den Deckungsbeitrag hereinholen, – und das muss nicht einmal der wenig gelesene Lyrikband sein – relativiert die ohnehin nicht jedem Verlag vergönnten Ausrutscher nach oben, sie sind eher die Ausnahme und lassen sich schon gar nicht einkalkulieren.
Es lässt sich also festhalten, dass sich der Markt immer rationeller organisiert, um den Preis jedoch, dass es die 80.000 Neuerscheinungen buchstäblich nur noch auf dem Papier gibt. Nur eine Schaumkrone der Produktion findet in nennenswertem Maße Verbreitung. Wohlgemerkt, engagierte Buchhändler und Verlage gibt es, doch die Breite des potentiellen Angebots ist sicherlich auch zu einem Großteil dem Idealismus von Verlegern und Buchhändlern geschuldet. Spötter meinen, dass sich das Geld auf einem Sparkonto besser verzinse, als wenn man es in die Buchproduktion investiere.

Der Autor als Egomane

„Gewisse Bücher scheinen geschrieben zu sein, nicht damit man daraus lerne, sondern damit man wisse, dass der Verfasser etwas gewusst hat.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

Medialer Overkill – welche Titel in den Medien reüssieren

Es ist nur natürlich, dass angesichts der riesigen Menge potentiell verfügbarer Titel eine Auslese stattfinden muss, der Leser nach Orientierung verlangt. Einen wichtigen Anteil daran haben die Medien. Durch schrumpfende Anzeigeneinnahmen in den letzten Jahren standen auch immer weniger Seiten für Rezensionen zur Verfügung, so dass immer weniger Titel öffentliche Aufmerksamkeit erhielten. Auch scheint die Bereitschaft der Rezensenten, Bücher jenseits des Mainstreams oder eigene Entdeckungen zu besprechen, nachzulassen. Wenn Sie in 15 verschiedenen Frauenzeitschriften das gleiche Buch besprochen finden, dann liegt das in den meisten Fällen vermutlich nicht an der alles überragenden Qualität desselben, sondern schlicht daran, dass die Presseabteilung des Verlages gut gearbeitet hat, über gute Beziehungen verfügt oder – der Verdacht drängt sich zumindest auf – gar Werbekostenzuschüsse gezahlt werden, um redaktionell intensiv berücksichtigt zu werden. Das klassische Feuilleton, in dem das noch graduell anders sein mag, geht im medialen Überangebot leider zunehmend unter. War früher eine gute Besprechung in der FAZ, der Süddeutschen oder der Zeit oft schon die halbe Miete, holt das heute salopp formuliert nur noch wenige hinter dem Ofen hervor. Deshalb besteht für die Verlage leider der Zwang zum medialen Overkill. Ohne Auftritt eines Autors bei Lanz, Raab und der NDR Talkshow zusammen läuft bald gar nichts mehr.