Die Widerständigkeit des Buches

Die Erwartungshaltung der Leser ist eine andere geworden. Der schon sprichwörtliche Werbespruch „Genuss sofort“ trifft diese Mentalität sehr gut. Internetvideos oder Fernsehfilme bieten hier schnellste Abhilfe. Ein Buch dagegen muss über Stunden erschlossen werden und bedarf einer Ruhe, die viele gar nicht mehr aufbringen, die auch noch im Bad einen Viertfernseher und im Kühlschrank ein Display mit Internetzugang installiert haben. Wir Internetjunkies sind wahrnehmungs- und lebenspraktisch ganz anders getaktet. Wir passen uns an die visuellen und durch Rasanz gekennzeichneten Medien an. Schon der Erfinder des Computers, Konrad Zuse, warnte zu Recht: „Die Gefahr, daß der Computer so wird wie ein Mensch, ist nicht so groß wie die Gefahr, dass der Mensch so wird wie ein Computer.“ Auf diesem Hintergrund erscheint bei aller Begeisterung für die Möglichkeiten etwa des Internets die Entwicklung nicht nur als Befreiung und Erweiterung der Optionen, sondern paradoxerweise auch als Determination, als Einschränkung der Autonomie dort, wo die Erwartungshaltung an die Bürger steigt, ständig über alles informiert zu sein, auf alles just in time zu reagieren.

Leseverhalten

Neben dem verständlichen Wunsch nach Orientierung im Überangebot hat sich durch Medienkonkurrenz auch eine gewandelte Bedürfnisstruktur seitens der Leser entwickelt. Eine Studie über das veränderte Leseverhalten in Deutschland (Stiftung Lesen) beruhigt zwar, dass das Ende der Buchkultur, wie es der Kulturkritiker Marshall Mc Luhan in den 60er Jahren noch prognostiziert hat, wohl nicht so schnell eintreten werde (er sagte es bereits für 1988 voraus), es gibt jedoch qualitative Veränderungen, die aufhorchen lassen. Pauschal gesagt wird weniger (in Büchern) gelesen und vor allem anders. Fakt ist, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Leser, die sich mindestens ein Buch im Jahr gekauft haben, um alarmierende 7 Millionen
geschrumpft ist. Das riesige Angebot wird zudem nur von etwa einem Drittel der Menschen wahrgenommen.