Der Akt des Lesens

Das Lesen erfordert Aktivität. Der Leser ist dank und mit dem Autor Akteur im
Entstehungsprozess des literarischen Produkts. Er „malt“ die individuellen Bilder hinter den schwarz-weißen Lettern, die das Buch ihm bereitstellt. Er bildet sich in der intimen Sphäre des Lesens eine Illusion, seine Illusion, er erschafft sich seine Charakterköpfe, „malt“ die Kulissen, vor denen diese agieren – und erlebt sich so selbst als Schöpfer, als Creator – als kreativ und aktiv. Passiv ist er hingegen vor dem Fernseher, der ihm allein fremdproduzierte Bilder vorsetzt. Wer kennt sie nicht, die Enttäuschung angesichts der Verfilmung eines Buches, das man mit Freude gelesen hat? Banal und tot erscheinen einem die Leinwandhelden oft, die vermutlich diffuser, damit aber auch lebendiger vor dem geistigen Auge erschienen sind und so einen intensiveren Eindruck hinterlassen haben.

Lesefähigkeit als Schlüsselqualifikation

Lesefähigkeit als Schlüsselqualifikation und primäre Kulturtechnik ist im Kommunikationszeitalter unerlässlich. Deshalb stellt die Leseförderung eine sehr wichtige kulturpolitische, eigentlich aber gesellschaftspolitische Aufgabe dar, die leider nicht mehr allein den Eltern überlassen werden kann, wenn diese mehrheitlich nicht mehr in der Lage sind, ihren Kindern Anregung und Vorbild zu sein. Dass es funktionieren kann, zeigen Erfahrungen aus Finnland, wo ein intensives staatliches Förderprogramm der Kinderkultur erste Erfolge auf breiter Front verzeichnet.