Über solibro

Hier schreibt Wolfgang Neumann, Verleger des Solibro Verlags.

Was wir verdienen

„Statt zu klagen, daß wir nicht alles haben, was wir wollen, sollten wir lieber dankbar sein, daß wir nicht alles bekommen, was wir verdienen.“ (Dieter Hildebrandt)

Medialer Overkill – welche Titel in den Medien reüssieren

Es ist nur natürlich, dass angesichts der riesigen Menge potentiell verfügbarer Titel eine Auslese stattfinden muss, der Leser nach Orientierung verlangt. Einen wichtigen Anteil daran haben die Medien. Durch schrumpfende Anzeigeneinnahmen in den letzten Jahren standen auch immer weniger Seiten für Rezensionen zur Verfügung, so dass immer weniger Titel öffentliche Aufmerksamkeit erhielten. Auch scheint die Bereitschaft der Rezensenten, Bücher jenseits des Mainstreams oder eigene Entdeckungen zu besprechen, nachzulassen. Wenn Sie in 15 verschiedenen Frauenzeitschriften das gleiche Buch besprochen finden, dann liegt das in den meisten Fällen vermutlich nicht an der alles überragenden Qualität desselben, sondern schlicht daran, dass die Presseabteilung des Verlages gut gearbeitet hat, über gute Beziehungen verfügt oder – der Verdacht drängt sich zumindest auf – gar Werbekostenzuschüsse gezahlt werden, um redaktionell intensiv berücksichtigt zu werden. Das klassische Feuilleton, in dem das noch graduell anders sein mag, geht im medialen Überangebot leider zunehmend unter. War früher eine gute Besprechung in der FAZ, der Süddeutschen oder der Zeit oft schon die halbe Miete, holt das heute salopp formuliert nur noch wenige hinter dem Ofen hervor. Deshalb besteht für die Verlage leider der Zwang zum medialen Overkill. Ohne Auftritt eines Autors bei Lanz, Raab und der NDR Talkshow zusammen läuft bald gar nichts mehr.

Cliffhanger war gestern – über die Bürden des Sachbuchs

Man liest immer wieder, dass das Sachbuch im Ebook-Bereich unter ferner liefen laufe. Das stimmt wohl. Doch auch im Printbereich ist es nicht so leicht wie früher. Denn viele Medien sind nicht zuletzt aufgrund der Einsparzwänge dazu übergegangen, Sachbücher als eigenen Content auszuschlachten und dies dem Rechteinhaber Verlag als Werbemaßnahme schmackhaft zu machen. So steht der Verlag vor dem Dilemma, einerseits auf „Rezensionen“ existentiell angewiesen zu sein, andererseits sich nun aber genötigt zu sehen, kostenfrei Abdruckrechte oftmals über mehrere Seiten einzuräumen, für die es in früheren Zeiten zumindest ein Anerkennungshonorar gegeben hat. Das ist doppelt nachteilig, da durch die umfangreiche thematische Abdeckung eines Themas in einer eher dem Feature als der Rezension zugehörigen Gattung eine Sättigung beim Leser hervorgerufen wird, die das Verlangen auf das Buch zu erschöpfen droht. Früher gab man sich auf Seiten der Presse mit einem Teaser, einer neugierig machenden Rezension zufrieden. Doch heute wird oft die Essenz derart verdichtet dargeboten, dass es am Ende für einen Cliffhanger nicht mehr reicht. Leider können sich Verleger die Ablehnung eines solchen „Kooperationsangebots“ meist nicht leisten, obwohl nicht nur gedruckte Rezensionen sondern selbst die früheren Bestsellermacher Talkshows nur in wenigen Fällen noch echten Schub verleihen können.

Science-Fiction des Buches

Galt gerade noch der Ebook-Reader als der letzte Schrei, gibt es jetzt schon biegbare Bildschirme. Und die Projektion von Inhalten direkt auf die Netzhaut auch ohne Google-Brille ist schon längst in Arbeit. Was bedeutet das zu Ende gedacht? Lebte das Lesen bislang von der Interaktion, der lustvollen Begegnung oder beängstigenden Konfrontation mit überraschenden, anderen Welten, so droht irgendwann der Unterschied zwischen eigenen Gedanken und den Projektionen ins Gehirn zu verschwimmen (ja, auch Gehirn-Maschine-Interfaces gibt es heute bereits in rudimentärer Form). Werden wir dann in Zukunft noch staunen oder über uns selbst nachdenken oder nehmen wir alles hin, weil es ja schon Teil von uns zu sein scheint? Aber vielleicht wird das ja nur noch ein gradueller Unterschied zu heute sein, wenn man bedenkt, mit welcher Leichtgläubigkeit oft Propaganda der Medien (ja, die gibt es auch im Westen) als eigene Meinung adaptiert wird.

Voyeur auf der African Queen

2012 veröffentlichte Helge Timmerberg „African Queen“ (Rowohlt). Gut, man mag an der ein oder anderen Stelle denken, dass man nolens volens zum Voyeur der Liebesprobleme des Autors wird. Aber das ist nicht schlimm. Denn es wäre kein Buch von Helge Timmerberg, wenn er es nicht nur wieder wie kaum ein anderer
vermöchte, dem Leser Allgemeingültiges über die ewigen Themen Liebe, Tod, Angst, Lust, Sehnsucht und Freiheit zu vermitteln und vor allem zu zeigen, dass wir prinzipiell letztlich alle ähnliche Sorgen haben. Das entschädigt dafür, dass Afrika eigentlich nur Schauplatz für diese Reflexionen ist. Deshalb möchte man so einen hardcore-subjektiven Reisebericht einer Tier-Doku oder einem „und dann fuhren wir nach …-
Reisebericht“ immer vorziehen, denn hier werden Tiere, Landschaften und Reisebegegnungen nicht einfach nur benannt und kartiert, sondern immer in
lebendige Relation zu den Wünschen und Ängsten des Autors gesetzt. Dadurch kann der Leser an einer Reise teilnehmen, die es eben auch ermöglicht, zu erahnen, wie sich Malaria wirklich anfühlt oder wie es sein muss, an einer Flussmündung im Dunkeln spazieren zu gehen, von der man weiß, dass dort nachts die Krokodile jagen. Und das alles ohne den Lesesessel verlassen zu müssen. Lesenswert, und der Humor kommt wie immer auch nicht zu kurz. Vielleicht sein bestes Buch – aber das sagt man ja nach jedem Timmerberg.