Über solibro

Hier schreibt Wolfgang Neumann, Verleger des Solibro Verlags.

vergiftet

Lady Astor sagte einmal zu Churchill: „Wenn Sie mein Mann wären, würde ich Ihren Kaffee vergiften!“ – „Wenn Sie meine Frau wären“, antwortete
Churchill, „würde ich ihn trinken.“

Der zeitgenössische Buchhändler

Buchhändler werden nach den Branchenrationalisierungsmaßnahmen der letzten Jahre, die auch häufig dem nackten Überleben dienten, immer mehr zu reinen Betriebswirten, die am liebsten nur den zukünftigen nächsten Dale Carnegie oder Harry Potter verkaufen möchten. Es gibt mittlerweile Angebote von den mächtigen Zwischenhändlern, den Barsortimenten, die diese Auswahl der Bücher den Buchhändlern abnehmen und auf Basis ihrer ergiebigen EDV-Auswertungen nur noch Bücher mit nachweislich guten Umsätzen in die Läden legen. Das ist genau das gleiche Prinzip nach dem heutzutage Fernsehformate ausgewählt werden und das Niveauunterbietungskarussell in Gang gehalten wird. Dass bei einem zunehmenden Primat des ausschließlich wirtschaftlichen Erfolges auch auf dem Buchmarkt die Qualität der Inhalte zwangsläufig leiden muss, dürfte eigentlich evident sein.
Man mag vielleicht einwerfen, an was sich der Buchhändler oder Verleger denn sonst orientieren solle, als am wirtschaftlichen Erfolg? Aber das ist ja gerade das Besondere am Wirtschaftsgut Buch, dass es, indem es nicht nur zerstreuende sondern auch kritische, subversive, erschütternde oder erzieherische Inhalte transportieren kann, traditionell eine Funktion hat, die eben mit dem Engagement der Verlage und Buchhandlungen über das reine Schielen nach dem Umsatz hinausgeht. Wo früher ein Buchhändler auch ein inhaltliches Anliegen hatte oder seine Begeisterung für
Programmsegmente seinen Käufern zu vermitteln suchte, steht heute die Betrachtung des Buches als reine Ware immer mehr im Vordergrund – zugestandenermaßen sicherlich auch überwiegend notgedrungen. Damit soll nicht gesagt werden, dass es nicht immer noch zahlreiche Liebhaber unter den Buchhändlern und Verlegern gibt, bei denen das ökonomische Interesse ein zweitrangiges ist und die sozusagen wie Trüffelschweine Schätze der Literatur bergen und auf einen begrenzt aufnahmefähigen Markt bringen. Doch bis zu welchem Maße sich solche oftmals nur durch Selbstausbeutung gestützten Existenzen in einem immer schwierigeren Markt behaupten können, bleibt fraglich.

Der Akt des Lesens

Das Lesen erfordert Aktivität. Der Leser ist dank und mit dem Autor Akteur im
Entstehungsprozess des literarischen Produkts. Er „malt“ die individuellen Bilder hinter den schwarz-weißen Lettern, die das Buch ihm bereitstellt. Er bildet sich in der intimen Sphäre des Lesens eine Illusion, seine Illusion, er erschafft sich seine Charakterköpfe, „malt“ die Kulissen, vor denen diese agieren – und erlebt sich so selbst als Schöpfer, als Creator – als kreativ und aktiv. Passiv ist er hingegen vor dem Fernseher, der ihm allein fremdproduzierte Bilder vorsetzt. Wer kennt sie nicht, die Enttäuschung angesichts der Verfilmung eines Buches, das man mit Freude gelesen hat? Banal und tot erscheinen einem die Leinwandhelden oft, die vermutlich diffuser, damit aber auch lebendiger vor dem geistigen Auge erschienen sind und so einen intensiveren Eindruck hinterlassen haben.